Die Reise beginnt im kleinen Küstenkönigreich Halcyonia, als unser Held und Seefahrer Seth (oder optional der Spielername), der kurz zuvor Schiffbruch erlitten hat, ohnmächtig an den Strand gespült wird. Als er langsam wieder zu Bewusstsein kommt und die Augen öffnet erblickt er seine zwei Retter, die sich ihm als Gloria, Prinzessin von Musa, und ihrem Leibwächter Sloan vorstellen. Wir erfahren nebenbei, dass sie durch die Kraft eines elementaren Kristalls genau an diese Stelle geführt wurden. Wir begleiten die beiden in die Stadt und müssen ziemlich schnell feststellen, dass es hier in den fernen Landen zwar ganz lieblich aussieht, aber nur so von Lügen und Intrigen wimmelt, und obendrein auch noch drei der vier mächtigen Kristalle aus dem Hause der Kristallhüter entwendet wurden. Diese funkelnden Edelsteine sind für das elementare Gleichgewicht der Welt zuständig und können in den falschen Händen zu verheerenden Naturkatastrophen führen.

Unser Held, ohne Schiff und ohne richtige Aufgabe, beschließt kurzerhand, sich den beiden anzuschließen und bei der Suche nach den gemopsten Kristallen zu helfen. Doch bevor wir uns Hals über Kopf in das Abenteuer stürzen, erkunden wir erstmals die Umgebung, lernen erste Kämpfe, die unterschiedlichen Gegnertypen und den fantastischen Soundtrack des Spiels kennen.
Nach einem erneuten Ausflug an den Strand und einer edlen Tat, in der Seth eine alte Frau vor ein paar schlecht gelaunten Monstern rettet, schließen sich noch zwei weitere Reisende an, die Söldnerin Adele und der Gelehrte Elvis. Adele und Elvis sind auf der Suche nach wertvollen Asterisk-Steinen, um ein altes Buch zu entschlüsseln. Bei einem gemeinsamen Umtrunk (ohne Hüftschwung oder Rock’n’Roll) stellen die vier Abenteurer inklusive Glorias Anhang fest, dass sie dasselbe Ziel verfolgen, denn in den Gebieten in denen die Kristalldiebe auftauchen, stößt die Truppe auch auf die wertvollen Lieblingsspezialsteine von Elvis.
Keine Bange vor monotonem Einheitsbrei und nervigem Backtracking, denn für ordentlich Abwechslung beim Erfarmen der wichtigen Erfahrungspunkte ist gesorgt. Unsere Abenteuerreise, auf der Suche nach den Kristalldieben, führt uns von hügeligen Blumenwiesen durch karge Wüstenlandschaften, dichte Wälder, auf eisige Gipfel und sogar durch eine Traumlandschaft. Nach ca. 4-5 Stunden Spielzeit ist der Prolog abgeschlossen, die Hilfestellungen sind verschwunden und das Abenteuer beginnt jetzt erst richtig. Wow!
Alleskönner auf der Jobsuche

Alte JRPG-Hasen kennen sicherlich den Begriff »Job« in dieser Art von Rollenspiel, doch für alle die nicht so vertraut mit der Materie sind, hier eine kurze Beschreibung: Die Jobs stehen für wechselbare Klassen, von denen jeweils zwei Jobs einem Helden der Vierergruppe zugewiesen werden können. Jobs werden in diesem Fall durch gefundene Asterisk-Steine freigeschaltet, diese gibt es für das Vermöbeln anspruchsvoller Bosse und herausfordernde Nebenquests. Es gibt sage und schreibe über 23 Jobs/Klassen, darunter bekannte Klassiker wie Schwarzmagier, Schwertkämpfer und Dieb. Allerdings gibt es in Bravely Default II auch sehr spezielle Jobs, wie zum Beispiel den kreativen Duplikant, der mit Farben um sich schmeißt und die Gegner schwächt oder den Glücksspieler, der das Glücksrad über das Ergebnis im Kampf entscheiden lässt.

Diese unterschiedlichen Jobs können bis Maximalstufe 15 ausgebaut werden und haben am Ende, neben einer großen Auswahl an Angriffen und Zaubern, auch jeweils zwei passive und eine aktive Spezialfertigkeit. Was daran besonders zeitaufwendig ist: Alle Charaktere müssen für sich selbst diese Jobs ausbauen, es gibt kein Upgrade für die ganze Gruppe. Wer also gerne mit verschiedenen Kombinationen/Skillungen herumtüftelt braucht sehr viel Geduld, denn einen Job in den ersten 10 Spielstunden auf Stufe 12 zu bringen, kann schon mal mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Aber der Aufwand lohnt sich, da viele Berufe dieselben Kampf- oder Supportstile unterstützen und so unsere Skillungen deutlich stärker werden. Der Grind lohnt sich also!
Angriff ist die beste Verteidigung

Das Motto der Zwischenüberschrift trifft ungefähr auf 90% der Kämpfe zu, zumindest wenn es sich um einfache Gegnergruppen handelt. In Bravely Default II ist das Kampfsystem etwas spezieller, denn dank des Brave Befehls lassen sich bis zu vier Angriffe auf einmal mit einem Charakter ausführen. Diese Angriffsstrategie hat allerdings auch ihren Preis, denn ein Angriff umfasst auch hier eine ganze Runde, wie in einem normalen rundenbasierten Kampf. Jedes Gruppenmitglied startet zu Beginn mit nur einem einzigen Brave Punkt (BP), werden also mehrere Angriffe in einem Zug getätigt, wandert die BP-Anzahl in den negativen Bereich, was dazu führt, dass dieser Charakter erst wieder angreifen kann, wenn er erneut über BP verfügt. Bei Bosskämpfen empfiehlt es sich daher immer Punkte anzusparen. Das Sammeln von BP im Kampf geht mit dem nützlichen Default-Befehl, mit der die Spielfigur eine starke defensive Haltung einnimmt und den Zug an einen darauffolgenden Charakter weiter gibt.
Klingt kompliziert und ist es auch, denn die richtige Strategie aus Angriff und Verteidigung kann bei vielen der herausfordernden Bosse zu einem spannenden Drahtseilakt werden. Ich bin durchaus bewandert, was dieses Genre betrifft, aber in Bravely Default II ist Geduld und Ausdauer des Spielers eine wichtige Eigenschaft und sollte unbedingt für ein erfolgreiches Durchspielen mitgebracht werden, da die Game-Over-Momente doch sehr oft vorkommen. Deutlicher ausgedrückt: Alter Verwalter, ganz schön schwer!
Voll im Element

Nicht nur das Taktieren von Angriffen und richtig platzierten Verteidigungsmanövern ist ausschlaggebend für einen erfolgreichen Kampf. Das Erkennen von Stärken und Schwächen der Feinde ist das A und O in den komplexeren Gefechten und kann schnell über Sieg oder Niederlage entscheiden. In Bravely Default II können falsch eingesetzte elementare Angriffe den Gegnern sogar wieder wertvolle Lebenspunkte zuspielen. Und wer will das schon?
Es ist aber auch möglich untote Gegner mit einem Heilzauber oder gar mit einem regenerierenden Buff dauerhaft Schaden zuzufügen. Selbst absolute Immunität gegen verschiedene Waffenarten wie Schwerter, Äxte, Dolche, Bögen oder Stäbe sind möglich, deshalb sollte man seine Heldengruppe immer breit gefächert aufstellen. Zieht Euch also warm an und bleibt geduldig, wenn es mal wieder länger dauert, in den Kämpfen mit bis zu sechs Feinden in einer Gegenüberstellung und das bis zu sechsmal in Folge.
Hinweis: Selbst nach Gefechten auf Augenhöhe erhält unsere Heldengruppe leider nur sehr wenig Erfahrungspunkte, was Bravely Default II zu einem sehr Grind-basiertem Spiel macht. Allerdings haben sich die Entwickler bei Claytechworks etwas sehr kreatives ausgedacht, denn alle Spieler die nicht so viel Zeit in das Erfarmen von Leveln und dem Ausbau von so vielen verschiedenen Jobs investieren können (oder wollen), dürfen sich über das Online-Feature freuen. Diese Funktion bietet dem Spieler die Möglichkeit ein Schiff auf eine Schatzsuche auszusenden, welches dann im Standby-Modus der Nintendo Switch bis zu zwölf Stunden lang nach lukrativer Beute (XP-Booster) sucht. Kann ich so eine Funktion auch bitte im echten Leben haben?
Treffen der anonymen Abenteurer


Einige eintreffende Ereignisse in der Handlung kann man schon weit im Voraus erahnen, doch schön zu sehen, dass die Geschichte von Bravely Default II immer eine Überraschung bereithält, mit der man gerade nicht rechnet. Vor allem die bunt zusammengewürfelte Gruppe aus Gloria, Seth, Adele und Elvis steckt voller Geheimnisse, von denen sie auf ihrer gemeinsamen Reise hin und wieder etwas preisgeben. Die vergangenen Geschehnisse sorgen für massig Gesprächsstoff in der Bande, die sie in vielen verschiedenen Gruppendialogen austauschen und ihre jeweiligen Gefühle an die anderen weitergeben. Viele der Hintergrundgeschichten bringen nochmals einen entscheidenden Aha-Effekt in die Story und verzaubern viele Orte, die man zuvor ahnungslos passiert hat, beim erneuten Besuch zu ganz besonderen Schauplätzen.
Umfangreiches Spiel im Spiel

Blockieren und Dominieren (B&D) ist ein Kartenspiel mit kurzen Runden bestehend aus fünf Spielzügen, in denen man versucht den Gegenspieler mit Gebietskarten zu umzingeln, um dessen Gebiete für sich zu beanspruchen. Doch das ist bei weitem nicht alles, es enthält ebenfalls noch einen Deck-Baukasten, besondere Regeln, Helden- und Kreaturenkarten und eine eigene Statistik über Siege und Niederlagen. Gespielt werden die Matches gegen andere NPCs mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden und Decks. Gewinnt man eine Partie B&D, bekommt man am Ende Punkte mit denen man sich Karten aus dem gegnerischen Deck aussuchen darf. Ich würde sagen, das B&D sogar so gut ist, dass es als eigenständiges Kartenspiel Erfolg hätte.
Quality of Life

Wie geil ist das denn! Endlich hat mal jemand mitgedacht! Jeder Fan des JRPG-Genre kennt sicherlich das Navigieren durch die zig Untermenüs der Charaktere und Inventare, nur um seine Heldengruppe zwischen den Kämpfen wieder mit Lebensenergie zu versorgen. In Bravely Default II ist dieser Schritt ein einziger Knopf, richtig gelesen, ein Knopf, auf dem steht: Automatisch heilen! Yeah! Dasselbe gilt auch für das Anlegen der bestmöglichen Ausrüstung. Wer sich also die Mühe ersparen möchte jedes Item einzeln einem Charakter zuzuweisen, kann das ebenfalls mit einem Knopfdruck erledigen. Ich musste nur ein einziges Mal händisch nachbessern, da mir die vorgeschlagene Waffenauswahl für den bevorstehenden Kampf nicht gefallen hat.
Ihr wundert euch sicherlich was jetzt kommt, aber der grandiose und abwechslungsreiche Soundtrack von Bravely Default II gehört für mich ebenso zur Kategorie Quality of Life. Selbst nach weit über 50 Stunden Spielzeit, sorgt der knackige Soundtrack immer noch für die richtige Stimmung im Kampf und in den Gebieten. Die überraschende Mischung aus orchestraler Untermalung, Flamenco und Funky-Jazz motiviert ungemein! Allerdings habe ich die Musik minimal in den Optionen herunter gedreht, da sie mir in den Dialogen zu laut war.
Release Termin:
26. Februar 2021
USK:
ab 12 Jahren
Genre:
JRPG, Rollenspiel
Spielzeit:
70+ Stunden
Entwickler:
Claytechworks
Publisher:
Nintendo
Erhältlich für:
Switch
Fazit
Bravely Default II
Ich habe lange überlegt an was mich der Stil des Spiels erinnert - Bravely Default II wirkt auf den ersten Blick wie ein bezauberndes und handgemaltes Märchen für Kinder, doch hinter den niedlichen und puppenartigen Figuren stecken sehr erwachsene Charaktere mit ernsthaften Geschichten über das Leben, die Liebe, Politik und den Tod. Dieses Rollenspiel hat es faustdick hinter den Ohren und ist meiner Meinung nach NUR etwas für das hartgesottene JRPG-Publikum. Das Kampfsystem ist durch und durch für wahre Strategen, denn es kommt doch relativ häufig vor, dass wir uns mit zig Buffs und Debuffs beschäftigen müssen. Auch die Brave- und Default-Mechanik lassen manche Gefechte zu kniffligen Schachpartien ausarten, um die gegnerischen Züge zu erkennen, bevor sie ausgeführt werden. Allerdings, wer die Herausforderungen in diesem JRPG zu schätzen weiß, der wird mit Bravely Default II sehr, sehr viele Stunden japanischen Spielspaß in einer bezaubernden Spielwelt genießen können.
Pro
- kreatives Kampfsystem (Kettenangriffe)
- viele verschiedene Gegnerarten
- wortgewandte, deutsche Bildschirmtexte
- sehr umfangreiches Job/Klassen-System
- malerische Umgebungen wie in einem Märchen
- sehr guter Soundtrack
- bis zu vierfache Kampfgeschwindigkeit einstellbar
- drei Schwierigkeitsgrade
- Belohnungen im Standby Betrieb der Switch (Erkundungsreise)
Contra
- keine deutsche Sprachausgabe
- Jobs/Klassen ausbauen kann sehr zeitintensiv sein
- Mehr-Phasen-Bosskämpfe sehr anspruchsvoll
- Zwischensequenzen oftmals einfach gehalten
Letzte Worte
-
Nach dem zweiten Abspann ist noch lange nicht Schluss!
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